Westliche Expansion und imperiale Kontinuität
Die Entwicklung des Westens in Richtung Neuzeit (Auszüge aus «Wir und der Westen», 5/11)
Seit die Schweiz existiert, hat es vom Westen ausgehende Expansionsbewegungen gegeben, die Hand in Hand gingen mit einer Art imperialer Kontinuität. Dies begann mit den Kreuzzügen, ging weiter mit Kolonialismus und Imperialismus, und mündete in heutige Formen von Neo-Imperialismus. Während die ersteren anerkannte Themen sind, ist letzteres ein kontroverser diskutiertes Thema, da es die Kernaspekte der zeitgenössischen Weltordnung und damit zentralste Aspekte der Politik betrifft. Umso wichtiger ist es, sich ein realitätskonformes Bild zu verschaffen. Die Frage wird sein, inwiefern im heutigen Handeln «des Westens» imperiale Aspekte aufzufinden sind. Sind diese vollständig verschwunden, oder sind sie im Gegenteil in zum Teil neuartiger Form nach wie vor präsent?
Durch den erwähnten Handelsaufschwung im Mittelmeer hatten die italienischen Städte innerhalb des Heiligen Römischen Reiches an Macht und Autonomie gewonnen. Dies war die Zeit des Übergangs vom Spätmittelalter zur Renaissance. Venedig und Genua wurden einflussreiche Seemächte, und Mailand, Florenz, und andere Städte erreichten grossen wirtschaftlichen Einfluss.
Die strategische Lage am adriatischen Meer ermöglichte Venedig, eine dominante Handelsmacht mit Reichweite über das Mittelmeer, das Schwarze Meer und darüber hinaus zu werden. Venedigs Flotte war eine der grössten und fortschrittlichsten ihrer Zeit, und die Venezianer gründeten auch Kolonien und Handelsstützpunkte zum Beispiel in Konstantinopel, Alexandria, und anderen Städten der Levante (der Länder am östlichen Mittelmeer).
Venedig spielte auch eine wichtige Rolle in den Kreuzzügen, insbesondere im Vierten Kreuzzug (1202-1204), der zur Plünderung und Eroberung Konstantinopels führte. Dabei wurde das Lateinische Kaiserreich gegründet, womit die Machthaber aus den Westreichen in der imperialen Kontinuität eine Zeit lang wieder vollkommen – auch im Oströmischen Reich – am Zug waren. Das Oströmische Reich, für jene Zeit meistens das byzantinische Reich genannt, erlangte auch nach der Rückeroberung um 1261 nie wieder seine frühere Stärke, und fiel schliesslich 1453 an das Osmanische Reich.
Das Phänomen der Kreuzzüge dauerte über die 12. und 13. Jahrhunderte (neun Kreuzzüge zwischen 1096 und 1272), und bestand aus mehrjährigen militärischen Expeditionen in den nahen Osten. Papst Urban II. hatte diese Bewegung initiiert, mit dem religiös-politischen Ziel, Jerusalem und die heiligen Stätten von den Muslimen zu befreien. Kreuzzüge waren von der lateinischen Kirche in Rom sanktionierte Kriege, die nicht nur religiös sondern strategisch, also politisch, und wirtschaftlich motiviert waren. Ein komplexes Zusammenspiel aus religiösem Eifer, politischen Ambitionen, sozialem Druck durch Bevölkerungswachstum und rastlosen europäischen Adel, und wirtschaftlichen Anreizen wie der Kontrolle über lukrative Handelsrouten im östlichen Mittelmeerraum führten zu einem Präzedenzfall von westlichem Expansionismus. In Bezug auf die militärische Eroberung, die religiöse Legitimation und die Schaffung von Kolonien stellten die Kreuzzüge eine Art Muster dar, das in späteren Jahrhunderten der westlichen Expansion und Kolonialisierung weiterentwickelt werden sollten.
Während den Kreuzzügen waren die Europäer auch in Kontakt mit exotischen Gütern wie Gewürzen, Seide und Edelstein aus Asien gekommen. Dies hatte ein verstärktes Interesse an diesen Waren und den Wunsch geweckt, neue Handelswege zu finden, um den Einfluss der muslimischen Mittelsmänner zu umgehen. Mit den Bevölkerungsverlusten der Schwarzen Pest, die Mitte des 14. Jh. Europa heimsuchte und zu verstärktem Interesse an neuen Handelswegen und Ressourcen führte, sowie den technologischen Entwicklungen im Schiffbau und der Navigation, begannen die europäischen Entdeckungsfahrten im 15. Jahrhundert.
Illustration: Portugiesische und spanische Entdeckungsfahrten und Kolonialbesitz
Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/55/Age_of_Discovery_explorations_in_English.png
Die Portugiesen begannen systematisch, die Küsten Afrikas zu erkunden. 1488 erreichte Bartolomeu Dias das Kap der Guten Hoffnung, und 1498 gelang es Vasco da Gama, den Seeweg nach Indien zu finden. Die spanische Krone unterstützte Christoph Kolumbus, der 1492 den Atlantik überquerte und «Amerika entdeckte».
Illustration: Westliche Expansion – Portugiesische Eroberungen
Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/80/Portuguese_discoveries_and_explorationsV2en.png
Im Jahr 1494 massten sich zum ersten Mal «westliche» Akteure an, die Welt untereinander aufzuteilen. Unter der Vermittlung von Papst Alexander VI. wurde am 7. Juni 1494 der Vertrag von Tordesillas zwischen Spanien und Portugal unterzeichnet. Damit wurden die neu entdeckten Gebiete ausserhalb Europas zwischen den beiden Seemächten aufgeteilt. Der Vertrag teilte die Welt in zwei Hemisphären auf, wobei eine östliche Hemisphäre Spanien und eine westliche Hemisphäre Portugal zugeordnet wurde. Die genaue Trennlinie wurde entlang eines Längengrades im Atlantik festgelegt, 370 Leguas (etwa 1554km) westlich von den Kapverdischen Inseln. Konkret bedeutete dies, dass Portugal die Zuständigkeit über alle neu entdeckten Gebiete östlich der Linie, einschliesslich Afrikas, Indiens und des Fernen Ostens erhielt, und Spanien die Kontrolle über die Gebiete westlich der Linie, einschliesslich der neu entdeckten Länder in Amerika. Wenn noch heute auf dem Kontinent «Lateinamerika» in Brasilien Portugiesisch und in allen anderen Ländern Spanisch gesprochen wird, geht das auf diese Entwicklungen zurück.
Illustration: Westliche Expansion – Das Spanische Imperium um 1790
Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Western_world#/media/File:SpanishEmpire1790.svg
Spanien kolonisierte auch die Philippinen in Südostasien, während die portugiesischen Spuren bis heute in den afrikanischen Ex-Kolonien Angola und Moçambique (unabhängig seit 1974), im chinesischen Macao, im indischen Goa, oder auf der Insel Timor zu spüren sind. Die Portugiesen waren auch die erste europäische Macht, die es nach Japan schafften. Die japanische Regierung der Edo-Zeit (etwa 1600-1850) warf die missionierenden Portugiesen aber aus dem Land. Bis zur politischen und gesellschaftlichen Umgestaltung Japans um die Meiji-Restauration ab 1868 war es während der ganzen Edo-Zeit bloss den Holländern erlaubt, sich in der kleinen künstlichen Insel Dejima in Nagasaki auf der Insel Kyushu aufzuhalten und von da aus Handel zu treiben. Japans Aufeinandertreffen mit dem Westen aus zivilisatorischer Perspektive geschah so im übrigen während zwei Jahrhunderten – Mitte 17. bis Mitte 19. Jh. – vornehmlich über die niederländische Sprache. Die obenerwähnten japanischen Denker hatten das westliche Denken mehrheitlich via holländische Enzyklopädien und Dokumente kennengelernt. Bevor wir auf die Holländer im westlichen Kontext zurückkommen, gilt es eine noch frühere Entwicklung in Ostasien zu erwähnen.
Die westliche Expansion auf andere Kontinente hatte also im 15. und 16. Jahrhundert mit den portugiesischen und spanischen Entdeckungsfahrten begonnen, welche den Grundstein für globale Handelsimperien und Kolonien, sowie für die Eroberung und Christianisierung der Neuen Welt legte. Zu ähnlicher Zeit, nämlich der frühen Ming-Dynastie (1368-1644) zwischen 1405 und 1433, waren von Ostasien aus auch die Chinesen seefahrerisch tätig gewesen. Sie unternahmen eine Reihe bemerkenswerter Seeexpeditionen, die sie durch den Indischen Ozean, den Persischen Golf, und bis an die Ostküste Afrikas führten. In einer hierzulande noch immer eher unbekannten Episode der Weltgeschichte war China unter der Führung von Admiral Zheng He mit Flotten von bis zu 300 Schiffen und 28000 Mann durch die Ozeane gesegelt.
Trotz ihres Erfolgs wurden die Seefahrten abrupt beendet, und es wurde anderen politischen Zielen Priorität gegeben. Ein Fokus auf innenpolitische Angelegenheiten sowie auf die Verteidigung gegen die Mongolen im Norden schloss das Kapitel der maritimen Expansion für längere Zeit. Die Geschichte ist relevant für den Versuch fundierter Spekulationen dazu, inwiefern eine von China dominierte Weltordnung sich von der derzeitigen westlich dominierten unterscheiden würde. Die erwähnte maritime Episode ist einer der historischen Sachverhalte, die nicht darauf hindeuten, dass imperiale Expansion um die ganze Welt in der chinesischen «zivilisatorischen DNA» in ähnlicher Form wie im Westen über Jahrhunderte vorhanden gewesen ist.
In den westlichen maritimen Expansionsbemühungen bekamen die Staaten der iberischen Halbinsel, Portugal und Spanien, bald Gesellschaft von den Niederlanden. Diese gesellten sich im 17. Jh. dazu, mit der wichtigen Neuerung, dass die niederländischen Behörden der Niederländischen Ostindien-Kompanie (Vereenigde Oost-Indische Compagnie, VOC, gegründet 1602), einem privaten Unternehmen – eines der ersten multinationalen Unternehmen der Welt – das Monopol für den Handel und die Kolonisierung in den Regionen des Fernen Ostens abtrat.
Die VOC führte Expeditionen nach Asien durch, um Gewürze wie Pfeffer, Nelken und Muskatnüsse zu beschaffen. Sie gründete Handelsniederlassungen und Festungen entlang der Küsten von Indonesien, Indien, Sri Lanka, Taiwan und wie erwähnt in Dejima bei Nagasaki in Japan. Die Niederlande wurden zu einer führenden Seemacht und Handelsnation und kontrollierten einen beträchtlichen Teil des Gewürzhandels im Fernen Osten. Die wichtigsten Langzeitkolonien waren das heutige Indonesien (bis 1949), Niederländisch-Guyana (Suriname; bis 1975 ) und die Niederländischen Antillen (bis 2010).
Nach Portugal und Spanien im 16. Jh. und den Niederlanden im 17. Jh. folgten schliesslich England und Frankreich, und entwickelten sich zu den dominierenden Kolonialmächten ab dem 18. Jahrhundert. Die beiden Mächte konkurrierten um koloniale Gebiete in Nordamerika, der Karibik, Indien und Afrika. Sie gründeten Siedlungen und Handelsposten und führten Kriege um territoriale Vorherrschaft. Obwohl diese Fakten unbestritten und bekannt sind, scheint es doch nicht verkehrt, sie ein wenig auszuführen.
Frankreich gründete Kolonien in Nordamerika (Kanada, Louisiana) und in der Karibik (Haiti, Guadeloupe, Martinique). Der Fokus lag auf dem Handel mit Pelzen, Zucker und anderen Rohstoffen. Im 19. Jh. dann, zur Zeit als sich die Europäer untereinander um Kolonien in der Welt konkurrierten, eroberte Frankreich grosse Teile Nord- und Westafrikas (Algerien, Senegal, Mali, Elfenbeinküste, etc.) sowie Teile Südostasiens («Indochina»).
Grossbritannien gründete Kolonien in Nordamerika (Virginia, Massachusetts) und Indien (Britisch-Indien), und eroberte weitere Gebiete in Nordamerika, der Karibik, Afrika (Goldküste, Südafrika) und Asien (Indien, Burma). Wie die Niederländer unterhielten auch die Briten ihre «Ostindienkompanie» (East India Company, gegründet 1600), welche sich auf Indien konzentrierte, da sie zu jener Zeit den Holländern noch nicht das Wasser reichen konnte. Auch diese private Firma verfügte über eine eigene Armee und Marine, und regierte bis ins spätere 19. Jh. die Kolonie Indien selbst, bevor Indien 1874 als «Kronkolonie» an die britische Krone überging. Im 19. Jahrhundert erreichte der britische Imperialismus seinen Höhepunkt mit der Ausdehnung des britischen Imperiums auf fast jeden Kontinent. Grossbritannien eroberte und beherrschte grosse Teile Afrikas (Ägypten, Nigeria, Kenia), Asiens (Indien, Singapur, Malaya) und Ozeaniens (Australien, Neuseeland). Das Britische Imperium wurde die grösste Kolonialmacht der Weltgeschichte.
Illustration: Gebiete des Britischen Imperiums (heutige Territorien rot unterstrichen)
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5544648
Nach dem Sieg über Napoleon und die Franzosen im frühen 19. Jh. war Grossbritannien die führende weltumspannende Macht. Der grösste verbleibende Widersacher war Russland, welches sich seinerseits gegen Osten ausgeweitet hatte, und gegen welches Grossbritannien sich fortan im «Grossen Spiel» (Great Game) wähnte. Es ging um die Vorherrschaft in Zentralasien, was uns zur bereits erwähnten Herzlandtheorie zurückbringt. Wie von britischen und später amerikanischen Strategen dargelegt, würde die Kontrolle des Herzlandes im Innern Eurasiens über die Vorherrschaft in der Welt entscheiden. Wie heute noch im Fall der USA steht und fällt schon für die damalige Zeit vieles damit, wie man das Vorgehen des mächtigsten Gebildes – im 19. Jh. das britische Imperium – in der Welt und speziell im eurasischen Raum beurteilt. Das heisst, es gilt nicht weniger als die modernere Geopolitik anzuschauen und einzuordnen. Ohne solche Einblicke fehlt jedem Blick auf den Westen Hand und Fuss. Noch bevor jegliche Schlussfolgerungen gezogen sind, ist zumindest klar, dass über die letzten zwei Jahrhunderte West-zentrierter Weltordnungen die Anglosphäre eine besondere Rolle gespielt hat. Keinesfalls kommt man darum herum, diese Rolle genauer anzuschauen. Wie die Landung auf einem Londoner Flughafen beeindruckend aufzeigt, scheint es im Zentrum des vergangenen Imperiums einen speziellen Zugang zur Welt zu geben. Es ist nämlich – oder irre ich mich? – der einzige Ort auf der Welt, wo Beschriftungen an einem Flughafen nur in einer einzigen Sprache geschrieben stehen. Ist aber das London-zentrierte Imperium tatsächlich vergangen und ganz einfach in einen demokratischen Commonwealth souveräner Staaten übergegangen? Oder hat es sich bloss in der Form gewandelt und ist ähnlich imperialer Natur geblieben?
Eine andere hierzulande erstaunlich wenig bekannte Geschichte sind die Unannehmlichkeiten, welche das Britische Imperium dem Riesenreich China damals bereitete. Anders als Indien, welches zusammen mit China bis ins 18. Jh. die entwickeltste Volkswirtschaft auf der Erde darstellte, vermochten die Briten China nicht unter ihre Kontrolle zu bringen. Dennoch läuteten sie Mitte 19. Jh. die Umstände ein, welche in China heute das Jahrhundert der Demütigung genannt werden. Um der negativen Handelsbilanz mit China – welches kein Interesse für britische Güter hatte – entgegenzuwirken, hatte die britische Ostindien-Kompanie seit dem späten 18. Jahrhundert illegal Opium aus Indien nach China exportiert. Der dadurch weit verbreitete Opiumkonsum verursachte soziale und wirtschaftliche Probleme in China. Als die chinesische Regierung unter der Qing-Dynastie versuchte, den Opiumhandel zu unterbinden, was 1839 zur Vernichtung grosser Opiumvorräte führte, erklärte Grossbritannien China den Krieg. Die technologisch überlegenen britischen Streitkräfte gewannen diesen rasch. Der Krieg endete mit dem Vertrag von Nanking von 1842, der China zwang, Hongkong an Grossbritannien abzutreten, fünf Häfen für den britischen Handel zu öffnen und britischen Staatsbürgern in China exterritoriale Rechte zu gewähren. Hongkong ging 1997 zurück in chinesischen Besitz.
Der Zweite Opiumkrieg (1856-1860), an dem sich auch Frankreich beteiligte, wurde wieder mit einem Vorwand – der Durchsuchung eines britischen Schiffes durch chinesische Beamte – vom Zaun gerissen. Wieder gewannen die Vertreter des Britischen Imperiums militärisch und besiegelten Verträge, welche China weiter für den ausländischen Handel und die Besiedlung öffneten, den Opiumhandel legalisierten, die Errichtung ausländischer Gesandtschaften in Peking erlaubten und ausländischen Staatsbürgern noch umfangreichere Rechte gewährten.
Im Zeitalter des Imperialismus, im 19. Jahrhundert, wurde Grossbritannien zur führenden Kolonialmacht und beherrschte ein riesiges Imperium, das sich über Indien, Afrika, Australien und Teile Asiens erstreckte. Das Deutsche Reich und Italien stiessen etwas später dazu und erwarben Kolonien in Afrika und der Südsee. An der Berliner Konferenz um 1884/1885 teilten die europäischen Kolonialmächte wieder einmal die Welt untereinander auf, diesmal den afrikanischen Kontinent.
Illustration: (Westliche) Expansion als Kolonialismus und Imperialismus um 1914
Quelle: Wikipedia
Schliesslich gesellten sich anfangs 20. Jh. auch die USA dazu, indem sie von Spanien die Philippinen und Teile Amerikas eroberten. Japan, das sich vorerst erfolgreich der westlichen Kolonisierung entzogen hatte, mischte sich selber ein und schuf sein eigenes Kolonialreich, zuerst in Korea und Taiwan, und dann schliesslich in den 1940er Jahren in Südostasien mit dem Versuch zur offiziell so genannten Grossostasiatischen Wohlstandssphäre, die sich über ganz Südostasien und grosse Teile Nordostasiens erstreckte. Die Niederlage im Krieg 1945 gegen die «West-Allierten» und vornehmlich die USA beendete den japanischen Expansionismus.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war der wirtschaftliche und politische Einfluss der europäischen Mächte stark geschwächt, und viele ehemalige Kolonien in Afrika und Asien erlangten ihre Unabhängigkeit (zum Beispiel Indonesien 1945 von den Niederlanden – 1949 anerkannt, die Philippinen 1946 von den USA, Indien 1947 von Grossbritannien, Vietnam 1954 vorerst von Frankreich, Malaysia 1957 von Grossbritannien, Kongo 1962 von Belgien, Kenia 1963 von Grossbritannien, 1975 Angola und Moçambique von Portugal, unter vielen anderen). Schliesslich wurde als letzte bedeutende europäische Kolonie 1997 Hongkong an China zurückgegeben. Bedeutet dies, dass sich der westliche Expansionismus in Luft aufgelöst hat, oder finden sich Überbleibsel und gewandelte Formen von (Neo-)Kolonialismus oder (Neo-)Imperialismus? Auf die Frage ist unbedingt zurückzukommen. Einigermassen unbestritten ist, dass ehemalige Kolonialmächte und andere entwickelte Länder weiterhin wirtschaftliche, politische und kulturelle Kontrolle über ehemaligen Kolonien ausüben. Beispiele dafür sind unfaire Handelspraktiken, Einfluss internationaler Institutionen wie des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, sowie militärische Interventionen. Darüber hinaus können die Strukturen der Globalisierung und die Dominanz multinationaler Konzerne als Formen moderner imperialer Kontrolle interpretiert werden, da sie die wirtschaftlichen und politischen Strukturen in Entwicklungsländern stark beeinflussen. Militärische und ähnliche Interventionen ehemaliger Kolonialmächte über die letzten Jahrzehnte verdienen es, auf Spuren von westlichem Expansionismus untersucht zu werden. Auch die Frage, wie die Schweiz damit verbunden ist, lohnt es sich zu stellen.